Bericht eines Wanderers 04/2018

Hallo zusammen! Wir sind wieder zurück. 

Denn vor ca. einem Jahr hatte ich die wahnsinnig gute Idee, dass ich einen Fernwanderweg mal in Angriff nehmen möchte. Rundwege sind jetzt nicht sooo viele zur Auswahl, also nimmt man den, der in der Nähe ist. Ok… 106km in fünf Tagen wären ja schon ok und die über 4100 Meter hoch (und wieder runter)…ACH…die sind schon nicht so schlimm! Der Wunschtermin rückte näher und nach etwas Kampf mit den Unterkünften war alles vorbereitet und jetzt musste nur noch Mitte April werden.

Einen Tag vor Abfahrt wurde allerdings JJ komisch. Ok… das Ende vom Lied war, dass seine Prostata mal wieder im Reich der Wünsche angekommen war und er dadurch Rückenschmerzen bekommen hat. Hormonell für vier Wochen ruhiggestellt, mit Schmerztabletten für den Notfall ausgerüstet und incl. tierärztlicher Freigabe für die Tour konnten wir loslegen. Im Übrigen muss man erwähnen, dass JJs Kooperation in der Tierarztpraxis etwas erzwungen wirkte…aber wer lässt sich schon gern dort untersuchen? Die Männer können das jetzt bestimmt nachvollziehen!

 

Sonntag nach dem Hundeplatz gings für uns also los ins Abenteuer. 

Angekommen, eingecheckt in ein etwas außerhalb von Waldkirch gelegenes Hotel, Zimmer mit drei Betten! Ja, wäre ja ok, wir sind ja zu dritt, aber die Hoteliers sehen das irgendwie mit den Hundehaaren auf den Betten ja nicht immer so arg entspannt. Zum Glück kann man die Matratzen hochkant stellen. Man findet dabei unter dem einen Bett noch einen alten Korken und auf dem Teppich ein angetrocknetes Gummibärchen. Huiii…die Raumpfleger/innen der Pension leisten richtig gute Arbeit! Respekt!

 

Kurz darauf sieht man mich wie ich wie wild auf der TV-Fernbedienung herumdrücke und dieser einfach nicht zum Leben erwachen möchte. Die Lösung ist genau so leicht wie erstaunlich, denn die vorherigen Bewohner des Zimmers haben die Batterien aus den Fernbedienungen geklaut. Ich bin doch mal wieder überrascht von der Menschheit! Hab mir daraufhin welche geben lassen, aber trotz meiner Genialität funktionierte es immer noch nicht. Die Bewohner haben nämlich auch noch alle möglichen Kabel herausgezogen, nachdem ich da, mal etwas hier und etwas dorthin gestöpselt hatte, erwachte der TV zum Leben. Coole Sache!

 

Am nächsten Tag sollte es nach dem Frühstück losgehen. Die Pensions-Chefin erklärte mir nochmal lang und breit, wie man von dort aus dann später auf den Zweitälersteig trifft. Ok. Verstanden hab ich das akustisch schon, aber ich bin mir jetzt schon verdammt sicher, dass es an der Umsetzung hapern wird. Nach etwas planlosem herumirren und tapferer „dann geh ich halt da lang“ -Frustreaktionen haben wir sogar per Zufall den Weg gefunden. Ich war begeistert….und zwar bis zur nächsten Kreuzung. Dort begannen dann die Wegfindungsprobleme erneut, auf die meine werte Leserschaft doch so wartet. Ein Weg geht leicht links, der andere leicht rechts und das blöde Schild klebt in der Mitte. Ja und nun? Soll ich etwa den Umfang des Baumes berechnen und dann schauen, an welcher Seite das Schild eher hängt? A² und B² ergeben C²… mir dünkt, dass das für nochmal was anderes war. Naja…heute geht’s eh nur nach oben, da ist der Weg vermutlich egal. Mein Kopfkino zeigte mich schon spät abends noch im Schwarzwald herumirren. Vielleicht hätte ich die Bergrettung vorwarnen sollen, dass ich ihre Gegend für fünf Tage unsicher mache. Immerhin hab ich mehr 1. Hilfe Ausrüstung dabei wie Klamotten. 

Irgendwann kamen wir wieder auf dem rechten Pfad und keuchten weiter nach oben. Meter für Meter kämpfte JJ dafür mit seinem Frauchen, dass die doch bitte endlich schneller läuft, die ist schon wieder soooooo lahm und für Wanderungen offenbar eh überhaupt nicht zu gebrauchen. Zu! Langsam! Im Tempo (laut JJ) ungefähr vergleichbar mit einem schwangeren Nilpferd auf Schlafmittel. 

 

Schon relativ geschafft kamen wir an einer Wanderhütte an, die Aussicht wird im Internet oft gelobt…ich konnte die Aussicht dafür gleich eine halbe Stunde genießen (die ist wirklich toll). Bei der Bahn würde es heißen „Verspätung durch einen Polizeieinsatz am Gleis“. Bevor jemand fragt, es kam niemand zu Schaden und alles war gut. Das einzige was gefehlt hat war evtl. eine Bewirtung….wenn ich eh schon warten muss, würde ich das eigentlich lieber bei ordentlicher Verpflegung tun, was solls, ess ich halt erstmal nix, so schnell verhungere ich nicht.

Als wir endlich ankamen konnten wir gleich das Zimmer beziehen. Ok…kein TV, aber dafür ein Etagenbad…ein Traum in braun, wer wünscht sich das nicht? Ein wahrer Spa-Palast! Egal, wir waren glaube ich eh alleine und daher konnte ich wohl behaupten, es wäre MEIN Bad. WLAN war aber super, schauen wir halt abends Youtube leer! 

Abends durften die Hunde natürlich vor dem Schlafen gehen nochmal raus zum Beinchen heben. Wer mal völlige Dunkelheit und absolute Stille erleben möchte…DORT wäre sie. Daheim mag ich die Dunkelheit, aber ich bin wohl doch ein Stadtkind und fand das ganze doch etwas gruslig.

 

Starten wir in Tag und Etappe 2 des Zweitälersteigs….oder nennen wir es liebevoll „Tag der Nahtoderfahrung“. Eigentlich startet es ganz entspannt. Bis nach ca. 1km mal wieder ein hilfreiches Schild fehlte. Rechts oder links runter? Gute Frage. Ich als Inbegriff der Spontanität tippel noch etwas unentschlossen durch die Gegend und muss mich dann wohl irgendwann für eine Richtung entscheiden. Wenn es euch hilft… Rechts runter war übrigens falsch! Also diesen ganzen verd…. sch….önen Berg wieder nach oben und auf in die andere Abzweigung, sogar die Hunde waren genervt!

Wir kamen im Verlauf zum Highlight der Tour, die Zweribachwasserfälle! Ja, das mag schon sein, dass die schön sind, aber was sind das bitte für Wege dahin? Die sind ja lebensgefährlich! Ok… sie wären einfach nur anstrengend und dezent gefährlich wenn man nicht zwei Chaoten an der Leine führt, die BEIDE ihre komplette Grunderziehung vergessen haben. 

Vergleichen wir doch mal was ich sage und was (vor allem) JJ versteht: 

- LAAANG-SAM -> JJ hört: BLAAAAH-BLAH, wahlweise SCHNELLER

- Stop! Er versteht: Blah…oder auch einfach LAUF!

- War-ten! Er interpretiert: Blah-Blah, oder WEITER!

Ok, wir sind irgendwann unten…was dann folgt ist die Ironie des Tages, es geht kurz danach wieder hinauf, die Wege sind allerdings mindestens genauso bescheiden, aber vor allem steil. Immerhin landschaftlich ist das ganze total toll… was uns dann erwartet ist weniger toll… es geht abwärts. Ok, die Wege Richtung Wasserfall waren schon grenzwertig, das was jetzt kommt ist…ja… ich kann und mag es kaum in Worte fassen. Immerhin die kleine schwarze Bergziege scheint den Weg zu finden…und da Bergziegen ja eh nicht wirklich Kommandos befolgen müssen, hat er sich die Ausführung seiner Kommandos auch gleich geschenkt. Frauchen soll sich bitte nicht so anstellen! Ich klinke JJ aus meinem Laufgurt aus, das ist mir sonst zu gefährlich. Er bekommt ein WARTEN gesagt, ich gehe um die nächste Kurve, drehe mich um, um ihn abzurufen. Wer steht hinter mir und schaut mich glücklich an? Ja genau…der gut erzogene Schäferhund. Hach, was isser süß, wenn er so toll folgt. Ein Sturz und einmal ordentlich Knöchel-umknicken später, psychisch wie physisch fertig, haben wir das ewige „auf und nieder“ eigentlich geschafft. Endlich sind wir am nächsten Wegweiser und was zeigt der mir? Es geht weiter steil bergab! Ich verzweifle, verfluche den Schwarzwaldverein, die Tour, den Tag, die Idee das Ding zu laufen und überhaupt alles…aber sehe mitten in meinem Frustanfall, dass ein regionaler Wanderweg auf einer hübschen Fahrstraße ebenfalls zum Zwischenziel führt. Ok, den Weg nehmen wir. Gut…über die Kilometerangaben muss man sich vielleicht nochmal unterhalten. Besser aber erst in einigen Wochen, sonst fühle ich mich gleich wieder so komplett veralbert.

 

Beispiel: Man kommt an einen Wegweiser: „Obersimonswald 2,2km“….yeah, gar nicht mehr so weit. 15min später erreicht man die Stelle, wo man wieder auf seine eigentliche Strecke trifft. Was sagt das Schild? „Obersimonswald 2,2km“ WAS!?! Was im Namen des acharontischen Bösen und der nocturnen Finsternis hab ich denn dann die letzten 15min gemacht? Genervt, mit Schmerzen in den Füßen, Beinen, ach…eigentlich überall kommt man am Zwischenziel an! Freude, Erleichterung, das Ziel gedanklich schon greifbar und dann das nächste Schild: Simonswald 6km. Ja… wie heißt es so schön? Krönchen richten und weiter geht’s! Vielleicht hat ja an dem Tag bereits meine Motivation in der nächsten Gaststätte bei einer großen Portion Pommes gesehen?

Die Lernerfahrung des Tages war dann übrigens, dass man Schmerzen ab einem gewissen Grad der Erschöpfung echt ignorieren kann. Kein Problem! Dank meines Verlaufens und dem Umweg haben wir einige Kilometer extra gemacht, na toll. 31km in unter 7h…gar nicht schlecht. Die eigentliche Tour sollte 25km gehen und wird mit 7h angegeben, die Pensionsbetreiberin, der ich fast in die Arme gefallen bin vor lauter Müdigkeit meinte nur schmunzelnd, dass ich zeitlich gar nicht so schlecht dran wäre. Ich hasse wandern!

 

Sollte einer der Hunde sich bei euch an dem Abend beschwert haben, dass das Abend-Fresschen etwas länger als gewohnt gedauert hat… die Luxus-Köters können froh sein, dass ich überhaupt nochmal aufgestanden bin. Im Bett war es schön. Bett war nett zu mir, im Bett tat mir nichts weh. Bett war mein neuer Freund! Also, bevor jemand den Tierschutz ruft. Das Futter für die Hunde hat sich zwar verspätet, sie haben es aber noch bekommen. Da Bett und ich plötzlich dicke Kumpels waren, hab ich dafür gar nichts mehr gegessen, dazu hätte ich nämlich ebenfalls aufstehen müssen….und meinen neuen Freund Bett alleine lassen!

 

Eins war aber klar, die morgige Etappe fällt aus, ich bin am Ende, die Jungs und der Weg haben mich geschafft. So hat mich die freundliche Dame dann am nächsten Tag ans Ende der 3. Etappe gebracht… dort haben wir die Zeit genutzt um in der Sonne zu sitzen und uns möglichst wenig zu bewegen, ging ja auch fast nix… Muskelkater ist ein Arschloch…und Blasen an den Fersen der islamische Staat des Wanderns!

Etappe 4 haben wir dann wieder in Angriff genommen, allerdings haben wir uns einen großen Bogen und damit 9km eingespart. Übrigens…auch hier… eine lückenlose Beschilderung ist echt was für Anfänger. Profis irren lieber unsicher herum. Zum Glück haben wir doch noch ab und zu Menschen getroffen die nicht nur dort wohnen/arbeiten, sondern auch noch den Weg wussten. 

 

Zwischendrin liefen wir idyllisch an einer Kuhweide (ohne Kühe) entlang und dann brach die Hölle los. Der Teufel kam höchstpersönlich in Gestalt eines kleinen schwarzen Hundes an meiner Leine. Da spielten drei Hasen auf der Weide und Murphy hätte sooooo gern geja….*hüstel* mitgespielt. JJ hat das ganze natürlich auch nicht kalt gelassen, aber der ist in der Hinsicht etwas folgsamer, immerhin in dieser Situation. Hab ich mal erwähnt, dass einem das Geschrei von Klein-Kreischi echt murphen…ähm nerven kann?

 

Wir sind diesmal also schon noch 15km angekommen und können auch gleich das Zimmer beziehen.. Mal wieder im zweiten Stock, mal wieder kein TV…nun gut, wir haben ja WLAN…oder haben wir nicht? Doch…hier rechts am Bett haben wir …. Nein, weg ist es…ah, da ists wieder…oder auch nicht? Sehr spannend! Jag das WLAN – das neue Gesellschaftsspiel für Alleinreisende mit Hund! Dafür hatten sie aber echt lecker Essen! Schön war, dass ich mich immerhin wieder etwas bewegen konnte, ok…unter Schmerzen, aber hey, wir sind inzwischen ja alte Bekannte! Wir können schon fast nicht mehr ohne einander.

 

Etappe 5 startet mit einem tollen Ausblick vom Frühstückstisch, aber es wird warm! Sehr warm. Die Frage ob man abbricht oder läuft, weil die Hunde müssen ja Mamas Ideen schließlich mit ausbaden. Die Entscheidung steht, wir gehen los. 2,5l Wasser für die Hunde sind mit am Start. Wir haben alle Schilder pflichtbewusst gefunden. Man entwickelt sich da echt zum Sichtjäger, wenn man die Dinger die ganze Zeit sucht. Selbst jetzt daheim findet man die kleinen gelben und blauen Rauten (oder sonstige Wanderzeichen) zuverlässig an den Lichtmasten oder Bäumen. Die Konditionierung hat offenbar gut funktioniert?! 

Ca. 6km vor offiziellem Etappenende hat allerdings JJ leichte Verschleißerscheinungen gezeigt. Nicht falsch verstehen, ICH hatte die ja schon nach dem zweiten Tag. Ihm war warm, er hat noch ne Menge Winterfell und zusätzlich die Packtaschen. An einer geeigneten Stelle (ein Tisch musste da sein, da konnte Frauchen ihren Rucksack gut absetzen, schließlich bin ich alt und erschöpft) haben wir dann eine Pause gemacht. Mit dem Erfolg, dass JJ sich in die Büsche gelegt hat und Murphy die Flexi künstlerisch-kreativ um Tisch und Bank wickelte und danach unglücklich jammerte. Einmal, weil die Leine ja ganz plötzlich zu Ende war und überhaupt war ihm langweilig. ER wollte schließlich keine Pause machen.

23km nach dem Start sind wir endlich wieder in Waldkirch angekommen, aber das Hotel ist ja außerhalb, wir erinnern uns vom Anfang des Berichtes?

NUR noch 4km… die können sich plötzlich ziehen wie Kaugummi und man hat schon das Gefühl, dass es noch ewig dauern wird. Ok sind wir ehrlich, es dauerte (gefühlt) ewig. Ganze Galaxien könnten in der Zeit entstehen und wieder verschwinden, bis wir endlich dort ankommen. 

Doch irgendwann…da kommt sie…die Brücke über die Elz und Bundesstraße und direkt dahinter liegt die Pension. Das Auto steht auch noch da und die Jungs freuen sich sogar, als sie das Auto abschnüffeln *hach mach*. Irgendwer hat vorhergesehen, dass das Frauchen nur noch eher schlecht als Recht das Hotel erreicht und wir haben ein Zimmer im EG *jubel* Übrigens gab es diesmal keine Gummibärchen. Weder im Teppich noch in kleinen Tütchen auf dem Bett liegend. Duschvorleger gabs diesmal übrigens auch nicht, sind vermutlich bei den Gummibärchen. Dafür haben wir ein 1-Franken-Stück gefunden. Sollen wir wetten? Hätte der Reiningungsservice ordentlich gearbeitet, würde das nicht mehr dort liegen?

So ganz zum Schluss des Urlaubs hat mir JJ am Tag der Abfahrt aber noch ein großes Geschenk gemacht (der kleine süße Kerl)… während ich nach Murphy schaute hat JJ mir eine Ente fangen wollen. Das Problem war nur leider, dass die Flexi ein ganz klein bisl kurz war und Mama dadurch einen Freiflug auf den Schotterweg gewonnen hat. Ich gebe gerne zu, dass meine Frustrationstoleranz und Impulskontrolle vor dem Frühstück auch noch nicht so ganz gut beieinander ist. Frauchen hat also mal wieder vor sich hingeschimpft. JJ konnte nicht nachvollziehen, warum sie an so einem schönen Tag so plötzlich schlechte Laune hat. Komisch diese Menschen…echt!

 

Was sind die Erkenntnisse aus der Tour? 

- Man kann 13kg Rucksäcke problemlos tragen… oder das nächste Mal mehr daheim lassen.

- JJ braucht ein Update: Ab Etappe 4 zog er nur noch bergab…nicht mehr bergauf!

- Man kann Zecken auch mit der Hand herausziehen, auch wenn man es eklig findet. Es wäre aber viel lästiger den halben Rucksack auszupacken um an die Zeckenzange zu kommen.

- Man kann auch stilles Wasser trinken, auch wenn man es ebenfalls eklig findet. Was tut man nicht alles bei Wanderungen, Hitze, Erschöpfung und ziemlichen Durst?

- Man hätte auch seine Hunde erziehen können….dann würden sie sich ganz evtl. an ihre Kommandos erinnern. 

- Aber das wichtigste: Genau so liebe ich diese Chaoten….denn mit ihnen ist jede Tour etwas ganz besonderes. Entweder besonders schön, besonders anstrengend, besonders nervenaufreibend, besonders erlebnisreich, besonders nah an physischen und psychischen Abgründen….aber sicherlich eins: Einfach besonders einzigartig!