Bericht eines Seminarteilnehmers.

Hallo! Ich bin ein Hundebesitzer der Wert darauf legt seinen Hund artgerecht und nach seinen Talenten und Fähigkeiten zu beschäftigen.
Agility kennen wir schon, Schutzdienst würde in einer langen Flucht meines Hundes vor dem Figuranten enden, Fährten findet Frauchen zu langweilig, Turnierhundesport hab ich schon vor Jahren aufgegeben, da ist man nur die ganze Zeit am rennen.
Eines schönen Tages kam ich auf die Idee mir die Talente meines Hundes zu Nutzen zu machen und mit ihm Mantrailing zu versuchen.
Ha, das klingt einfach. Ein Kleidungsstück als Geruchsträger, einen Hund, eine Schleppleine und fertig ist die Vorbereitung. Ok...eine Person die in ihrem Versteck ausharrt, bis wir sie finden brauchen wir auch noch, aber schon kanns los gehen!
Es heißt ja auch, dass der Hund danach schön müde ist, ein toller Hundesport, mein Hund sucht und ich schaue mir die Landschaft durch die wir gemächlich spazieren an, kann vom Alltag entspannen und hatte ein wenig Bewegung.

Los geht’s an einem Wochenseminar in einem kleinen bayrischen, nicht nur bei Hundebesitzern beliebten Dorf.

„Hier, kurze Einsteigerfährte für die Kleinen!“ sagt unsere Seminarleiterin. Äußerlich erscheint die Frau gar nicht so groß, aber ich sehe was sie erwartet und vor meinem inneren Auge wächst sie ins Unermessliche. Einsteiger? Klein? Kurz? Ja, Spuren suchen kann er, klein ist er tatsächlich, aber kurze Fährte? Die ist lang, bestimmt brauche ich jemanden der uns mit dem Auto am anderen Ende abholt. So im Überblick mag sie kurz sein, aber mir erschien sich mit jeder Sekunde die wir am Start stehen länger, ein einzelner Meter dehnt sich aus, bis es den Eindruck macht, dass er von hier bis zum nächsten Dorf reicht.
Wir wollen starten und verheddern uns zusammen in der Schleppleine, auch diese 7 Meter erscheinen plötzlich wie ein Kilometer und bis man die aufgewickelt hat dauert es.
„Gib deinem Hund den Vorgeruch!“ ruft es hinter mir. Vorgeruch? Was soll das denn sein? Meine Hirnwindungen rotieren, das Gehirn versucht die Wärme über den Kopf abzuleiten und lässt das Gesicht in einem gesunden Rot erstrahlen, gleichzeitig überhitze ich, die Hände fangen dadurch an zu zittern und ich schaffe es mich in der gerade aufgewickelten Schleppleine zu verfangen und brauch erstmal die Hilfe von zwei Seminarleitern um mich wieder zu befreien.

Ich bin nervös, höchst nervös, übertrage es mit 100% Wahrscheinlichkeit auf meinen jungen Hund. Ich zittere, er schaut sich die Gegend an. Ich platziere die Tüte mit dem Geruchsgegenstand vor ihm, er schnüffelt interessiert an einem Löwenzahn.
„Los, zeig ihm den Geruchsgegenstand!“ höre ich von hinten! Ja, das tu ich doch, aber er will es nicht haben! Denke ich mir.
Meine Seminarleiterin kommt zu mir, wird mich bestimmt schütteln für die Unfähigkeit die ich an den Tag lege, stoppt kurz vor mir, ich versuche meine Schnappatmung unter Kontrolle zu bringen, sie nimmt die Tüte, krempelt sie um bis der Geruchsgegenstand daraus hervorschaut. Endlich wacht mein Hund auf.
Er blickt schockiert in die Richtung aus der die Instruktorin kommt, sieht die Frau auf sich zulaufen, hofft darauf, dass „Mama“ ihn beschützt, sieht mit geweiteten Augen dass diese gruselige Frau mit der Tüte auf ihn losgeht und das Schnuppern wird zur Nebensache! Flucht nach hinten, aber schnell! Rückwärtsgang eingelegt, durch Frauchens Beine hindurch und er fesselt mich erneut mit der viel zu langen Leine.

Nun geht es aber los! Mein Hund hat immerhin einen Hauch von Geruchspartikel um die Nase geweht bekommen und wir starten. „Bleib stehen, gib Leine“ donnert es hinter mir, ich bleibe stehen, wie angewurzelt, wage keinen Schritt, der Hund kommt ans Ende der Leine und muss stoppen.
„Na, jetzt geh doch weiter, worauf wartest du?“ schallt der Befehl an meine Ohren.
Ich traue mich nicht stehen zu bleiben, der Hund schaut nach rechts den Berg hinauf, geht geradeaus weiter, ich stolpere hinterher. „Wohin hat er denn geschaut? Du musst auf die Zeichen deines Hundes achten!“ höre ich von meinem seminarleiterischen Schatten der mir folgt.
Wir klettern den Hügel hinauf. Nein, mein Hund läuft anmutig hinauf, fast schwebt er und ich trampel keuchend und schwitzend hinterher.

„Da ist ein Poooooooooooool! LEINENHANDLING!! Wickel die Leine auf!“ Höre ich hinter mir von der Person die zwar älter aber deutlich frischer den Hügel erklommen hat wie ich.
Ein Pool? Sagt mal, spinnt die Frau jetzt? Wo sieht sie denn hier einen Pool? Frage ich mich, ich sehe in den verwunderten Blicken von einigen anderen Neulingen dieselbe Frage, hoffe darauf, dass ich nicht die einzig blöde bin und nicke, grenzdebil lächelnd.
„Na, ein Geruchspoooool“ sagt sie erklärend. Alle nicken, keiner traut sich!
Es geht weiter, der Hund wendet, rast in die Richtung von der wir kommen, ich gebe intuitiv Leine, er biegt nach rechts ab und mit vor Schreck aufgerissenen Augen sehe ich das Dilemma, es geht weiter bergauf.
Mein Hund kämpft sich den Berg hinauf wie eine Gazelle mit einem Krokodil im Schlepptau, ich wünschte mir, mein Hund würde ein paar mehr Kilos haben um mich mit einem Ruck den Berg nach oben zu befördern.
Mein Hund schaltet einen Gang hoch, versucht mit aller Gewalt nach vorne zu kommen, ich fliege förmlich über die Bergkuppe, versuche das Gleichgewicht zu behalten, wünschte der Hund würde jetzt nur noch 3 statt der 8kg wiegen, rutsche um die Kurve, stolpere über meine eigenen Füße und bleibe keuchend vor einer Sitzbank liegen, auf der die gesuchte Person sitzt.

„Hör auf rumzuliegen und belohne deinen Hund!“ Belohnen....Belohnen! Ja, belohnen! Ich suche die Taschen ab, finde die Tüte mit den vielen kleinen Fleischkäsestücken. Mein Hund hüpft begeistert um mich herum und freut sich schwanzwedelnd über seine Leistung. Ich mache die Tüte auf, der Hund steckt die Nase voller Wonne hinein und fängt genüsslich an zu essen. Ein Teil meines Hirnes hat wieder den Anschluss an die Sauerstoffversorgung gefunden und überlegt sich, ob das jetzt eine positive Verknüpfung für die Tüte ist. Ich beschließe nichts dazu zu sagen, würde es doch in irrem Kichern enden.

Ich stemme mich hoch, schaffe es bis zum Auto, fahre ins Hotel. Schlafen. Schlafen ist das einzige was jetzt zählt. Ich liege wach. Minute um Minute liege ich mit aufgerissenen Augen im Bett und betrachte den Riss in der Decke. Worte fliegen um mich herum wie sonst die Schafe zum Zählen.
Rondelle, Negativ, Pool, Negative Anzeige, Prescent, Indument, Splits, Differenzierungen.

Ich schlafe irgendwann erschöpft ein, wache früh auf, packe heimlich meine Sachen ins Auto, will fliehen. Ich höre eine Stimme aus dem Nichts die mir sagt, dass ihr Hund mich finden wird, egal wo ich hinfahre.
Der kalte Schweiß sammelt sich in meinem Nacken, ich leere mein Auto und gehe zum Frühstücken.

Der zweite Seminartag beginnt.