Die Schweiz. Ein Quell von unendlicher Kreativität. Offensichtlich muss ich jedes Mal, wenn ich dort ein Seminar zum Thema „Mantrailing“ besuche etwas danach schreiben. Ich verspüre so ein Kribbeln in den Fingern. Nein! Nicht in der Faust…das ist wirklich ein anderer Gemütszustand!

 

Dank des Navis meines Vertrauens hab ich sogar diese Pension gefunden. Für schweizerische Verhältnisse war sie sogar günstig. Wer braucht schon ein eigenes Bad oder einen TV? Das wird völlig überbewertet und zeigt einem, dass man von daheim schon ziemlich verwöhnt ist.

 

Wir begannen den Seminartag direkt mit einem mehrstündigen Theorievortrag (was wurde da eigentlich besprochen, physisch war ich definitiv anwesend….) im Anschluss haben wir uns zur  Schnitzeljagd begeben. Mantrailing kann ja jeder, den Treffpunkt finden dafür nicht. Ich schloss mich anderen Leuten an, die ebenfalls zu den Navigationswundern dieser Welt gehörten. Nette Gegend ist das da, echt! Viel Landschaft! Enge Straßen! Tolle Anwohner, die einen auch falsch schicken….wir verfahren uns aber nicht, wir kreisen das Ziel gekonnt ein!

 

Irgendwann angekommen am Platz des Geschehens gab es die Trennung in zwei Gruppen. Erinnert einen irgendwie an die Einteilung der Sportgruppen in der Schulzeit.

Es sollte nun endlich losgehen, das Prozedere am Start wurde nochmals angesprochen. Keiner widersprach, ich auch nicht, warum etwas sagen, wenn man es einfach anders machen kann? Das erhöht die Spannung, wenn man das erste Mal an den Start kommt.

 

Welten prallten aufeinander. Hochritualisierter Start vs. Faulheit dort so viel Aufwand zu betreiben.  Entsetzte Gesichter der anderen Teilnehmer, absolute Fassungslosigkeit seitens der „Chefs“. Diese Teilnehmerin bringt einen bereits angeschirrten Hund zum Start. Die Temperaturen fielen um min. 3°C, man spürte eisige Kälte, die Vögel verstummten und ich glaube, die Welt blieb sogar ganz kurz stehen. Man erwartete einen Hund, der nicht vom Start wegkommt. Ich sah die Gedanken der Leute schon regelrecht vor mir.

 

Zu meinen Füßen saß dagegen Klein-Murphy und merkte von alldem wenig, schaute interessiert die Gegend an und wusste offensichtlich nicht, dass er rein theoretisch ohne so einem Brimborium gar nicht starten kann.

Nach dem „Go“-Kommando raste das schwarze Kleinteil los und fand die Person 100m weiter. Ab hier wurden Murphys kühnsten Kastratenträume wahr. ESSEN! Belohnung und dann rennt sofort wieder einer weg. Super! Nur 20m weiter gibt’s schon wieder Futter. Das Spiel findet er absolut klasse und sein Blick sagt: Das machen wir ab jetzt immer so.

 

Man geht also zurück zum Ausgangspunkt. Der Hund genießt noch die letzten Futtermoleküle im Maul, während Frauchen versucht zu erklären, warum sie nicht mit Räucherstäbchen den Startplatz von bösen Geistern befreit, den Hundenamen tanzt und anschließend elegant nach DIN-Norm den Hund anschirrt und startet. Beim Rundumblick in die Gesichter sah ich…ja….irgendwie Verständnislosigkeit. Ha! Damit kann ich leben, das kenn ich schon.

  

Nach einem Abendessen, welches bei dem Preis voraussichtlich aus Gold oder Platin bestand und einer kurzen Nacht schrieben wir also Tag 2 des Seminars mit der Enthüllung, dass ich offenbar Seminarleiter 1 schon durch meinen verhaltenskreativen Start verschlissen hatte und nun dem nächsten Opf….Seminarleiter zugeteilt wurde. Er meinte was von tolerant, nun gut, mal sehen wie lange. Meine Spezialität „mit Flexileine am Suchgeschirr zum Start“ hatte ich mir mal noch aufgehoben, falls ich meinte, auch ihn unbedingt in die Verzweiflung treiben zu wollen. Die Versicherungen aller Beteiligten, dass es rein aus logistischen Gründen zum Gruppenwechsel gekommen ist mag zwar stimmen, macht aber nicht halb so viel Spaß. Schließlich interpretieren wir erfolgreich die Taten anderer und sind dann über unsere eigenen Gedanken beleidigt.

 

Im weiteren Tagesverlauf machten wir einige lustige und irgendwie verhaltensoriginelle Übungen. Da umarmen sich z.B. zwei eigentlich völlig fremde Leute, damit einer davon wegrennt, während der andere totgeknuddelt auf dem Boden herumliegt und als lebensgroßer Geruchsartikel dient.

Wo bin ich denn hier gelandet? Seit wann mag ich fremde Menschen und könnten sie bitte die Finger von mir nehmen? Ich sage mir den Spruch: „Hauptsache die Jungs sind heute Abend müde“ immer wieder vor. Brrr…Menschen und dann auch noch so nah! Den Hunden war das offensichtlich egal und sie arbeiteten munter vor sich hin. Es folgten ja noch weitere Übungen, welche die Erklärkunst unseres Seminarleiters bis aufs äußerste forderte. Nachdem ich aber Facebook-Diskussionen zu genau diesem Thema verfolgt habe, die ca. 200 Beiträge lang sind habe ich aus Harmoniegründen auf die Beschreibung derer besser verzichtet. Nach Beendigung des Trainingstages waren die Hunde incl. Frauchen irgendwo kurz vor dem komatösen Tiefschlaf, ein lustiges Abendessen gabs natürlich dennoch. Hab ich mal erwähnt, dass ich mich in Gesellschaft anderer leicht Bekloppter irgendwie wohl fühle?

 

Was folgte, war eine weitere kurz-lange Nacht. Praktisch, wenn man genau zur Umstellung auf die Sommerzeit auf Seminar ist. Menschen wie ich, die  in Hotels eh nicht schlafen können, brauchen so eine Stunde weniger nachts herumliegen. Mit ohne TV kann man nicht fernsehschauen, also musste wohl das Handy herhalten um mich zu beschäftigen. Darf ich mal meinen Unmut darüber kundtun, dass nachts so zwischen 2-4 Uhr auf Facebook echt nichts los ist?! Hallo!! Mir war langweilig! So eine Freundschaftsanfrage ist viel zu schnell angenommen, vielleicht sollte man noch ein Rätsel davor lösen müssen.

Möchten Sie diesen Kontakt annehmen? Für „ja“ beantworten Sie bitte die Frage: Es ist kurz vor knapp, welche Farbe hat die Taube? Vermutlich würden sich dann meine Kontakte auf 2-3 Leute beschränken.

 

Nun gut, wenden wir uns doch noch dem dritten Tag zu. Ich war ja sowas von fit, ausgeschlafen und motiviert!  Manchmal lüge ich auch.

Eine der Übungen des Tages war, dass die zu suchende Person weit oben auf einer Treppe sitzt. Mir fiel dazu doch spontan ein Gedicht ein:

 

Der Murphy kreiselt,

er sucht es geschwind

er hat in der Nase

das verschwundene Kind….ok, das ist dichterische Freiheit, es war ein Erwachsener. Wir suchten zwar keinen Erlkönig, trotzdem konnte Murph es nicht fassen, dass er die Person, die er so deutlich in der Nase hatte, nicht sehen konnte. Nach einer kurzen Hilfestellung hat er die Übung verstanden. So gut verstanden, dass er beim darauf anschließenden Motivationstrail eine Vollbremsung einlegte, die Erdmännchen-Gene auspackte und beschloss, diesmal gleich und sofort nach oben zu schauen. Menschen ist schließlich alles zuzutrauen!

 

Die weitaus schlimmste Übung kam aber noch. Nicht für mich, nicht für die Hunde, sondern für einen Teilnehmer aus der Gruppe. Jemand musste „freiwillig“ sein Auto zur Verfügung stellen, damit andere Hunde einsteigen konnten und den Geruch aufnehmen. Ein „Freiwilliger“ war gefunden, bzw. auserwählt, irgendwie schien er aber nicht so begeistert. Ich kenn mich ja mit Autos nicht so aus, irgendwie sportlich, Ledersitze usw….kann gar nicht verstehen, warum er so weiß im Gesicht wurde. Obwohl…JJ war der krönende Abschluss, bzw. wir waren das Letzte. Spätestens wenn ich daran denke, dass dieser verrückte Holländer momentan zu seinen Wurzeln zurückfindet und alles schreddert, was ihm zwischen die Zähne kommt verstehe ich, warum der Autobesitzer so nervös wurde. Eigentlich ist ja aber alles nicht so schlimm. Spätestens zwei Tage nach dem Fressen von so unverdaulichen Sachen, hat man es meist wieder. Er lässt sich seine Taten gerne nochmals durch den Kopf gehen und so hat man solche Dinge recht zügig zurück, ein bisschen Puzzlearbeit und schon siehts aus wie neu. Nach einem langen Teamgespräch mit meinem Hund waren wir uns einig, dieses fremde Auto aber möglichst heil zu lassen, was zu meinem großen Erstaunen dann sogar geklappt hat. Man muss aber sagen, dass noch nicht mal er in 10-15sek. arg viel kaputt machen kann. Vielleicht wird er doch irgendwann mal vernünftig. Geschätzter Zeitpunkt in ca. fünf Jahren.

 

Fazit:

Das eigentliche Missionsziel „Müde Hunde“ konnte erfolgreich abgehakt werden, wir fuhren nach Hause. Total erledigt, übermüdet und ich voller Bedenken, ob ich auch tatsächlich beide Jungs eingepackt hatte. Es war so still im Auto…