Mein Hund und ich sind also Trailer geworden. Dies ist zwar etwas verwunderlich, wenn man an den ersten Bericht zurückdenkt, allerdings denkt mein Hund ja auch, dass Agility eine Art Mantrailen ist, nur dass noch lustige Sachen in den Weg gestellt werden.

Wir kämpfen uns in unserem allwöchentlichen Training in einer kleinen Gruppe ohne wirklich kompetente Anleitung durch. Anbieter von Mantrail-Seminaren müssen natürlich auch von etwas leben. Meine schwarze Seele bewegt mich dazu „absichtlich“ Fehler einzubauen, damit unsere Seminarleiter nicht nur Geld bekommen, sondern auch noch dafür arbeiten müssen. 

Ein neues Seminar steht an, diesmal in der Schweiz. 
Schon die obligatorische Vorstellungsrunde lässt meine gedankliche Seifenblase zur deutsch-schweizerischen Kommunikation platzen.
Ich habe Glück und alle anwesenden Personen reden extrem langsam mit mir und erklären mir alles, was ich nicht verstehe. Ich sehe an ihrem Blick, dass sie durchaus der Ansicht sind, dass der zeitweise, trailbedingte Sauerstoffmangel im Gehirn offensichtlich schon Spätschäden hinterlassen hat. 

Allein bei der Besprechung des Samstag-Trails bekomme ich die ersten nervositätsbedingten Zitteranfälle, halte mich aber gekonnt, stets lächelnd und lässig in den Stuhl geräkelt am Orangensaftglas fest.
Wir fassen zusammen: Trailalter 24 Stunden, ca. 1,4km, starker Regen in der Nacht und quer durch die Innenstadt. 
Ich wusste es. Unser Seminarleiter ist wahnsinnig! Bestimmt wohnt er auch in einem alten Schloss, fängt Blitze bei Gewitter ein und erweckt die Teilnehmer, die die langen Trailstrecken nicht überstanden haben wieder zum Leben, damit sie ihr Trail-Zombieleben als Versteckperson fristen müssen.

Wir gehen den gelegten Trail ab und na klar! Es geht auch wieder bergauf! Mein Versuch ein paar wichtige Sachen mitzuschreiben endet in Skizzen von Kreuzungen die eher Ähnlichkeiten mit einem Picasso haben. Später kann ich nichts mehr davon erkennen und dank meiner tollen Origami-Falttechnik des Notizzettels sind alle wichtigen Kreuzungen die ich mir eingetragen hab in einem wilden Durcheinander. Nummerieren ist was für Anfänger!

Der Weg erscheint mir in Sachen Streckendauer wie die helvetische Version des Jakobwegs. Voller Freude wird uns erklärt, dass der Trail dort langgeht, wo heute der stark frequentierte Wochenmarkt steht. „Na toll!“ denke ich mir. Mein Hund hat schon mal den Trail verlassen, um in einer Metzgerei eine Pause einzulegen, vielleicht geht er ja heute Blumen kaufen!

Wir starten, mein Hund hat per Gedankenübertragung sämtliche Fallstricke, die bei der Begehung besprochen worden sind mitbekommen und beschließt, die meisten Sachen in der Praxis vorzuführen.
Nach ca. der Hälfte der Strecke ist er dank der saharaähnlichen Temperaturen schwer am Hecheln und bekommt eine Pause verordnet. Etwas trinken? Er? Jetzt? Nein!

Es geht weiter, er rennt eine Treppe hinauf und ich höre die Stimme meines Seminarleiters. „Schau dir die Körpersprache an, man sieht doch ganz genau, dass er nichts mehr in der Nase hat!“ Mein Hund zerrt weiter in die falsche Richtung und ist überzeugt davon, dass er mindestens 45kg wiegt und Frauchen ohne Probleme nach oben ziehen kann.
Ich dreh mich zu meinem mir folgendem Wochenend-Chef um und schau ihn entgeistert an. „Na, schau doch, die ganze Körperspannung ist weg!“ sagt er lässig.
Ich bin ja der Meinung, dass mein Hund den Wegfall seiner Körperspannung hervorragend überspielen kann, was mich genauso frustriert wie die Aussage, dass mein Hund, wenn er in der falschen Richtung unterwegs ist noch mehr die Grashalme anpinkelt als sonst (ob mein Seminarleiter das etwa vorher mal nachgezählt hat?)

Wir sind zurück auf der Spur, wenn mein Hund nicht schon schwarzes Fell hätte, würde er nach der Sonneneinstrahlung bestimmt schwarz werden. Die Konzentration fällt bei ihm ins Bodenlose und er versucht sich im Vorbeigehen noch einen Tauben-Snack einzuverleiben (zur Beruhigung: Diese war schneller) 
50m vor der Versteckperson verweigert mein Hund jegliche weitere Zusammenarbeit, verweist auf seinen Arbeitsvertrag, die Gewerkschaft, berufsgenossenschaftliche Vorschriften und schaut sich erstmal auf dem Marktgelände um.
Währenddessen versuche ich der netten Frau mit Hund, die mir den Weg versperrt zu erklären, dass mein Hund arbeiten soll und dass das Knurren von ihm nicht bedeutet, dass er spielen möchte.
Ich scheine solche Hundebesitzer magisch anzuziehen. 
Zusammen gehen wir die letzten Meter zur Versteckperson und meinem Hund scheint das Wort „Personensuche“ wieder eingefallen zu sein.
Er zeigt mir sämtliche Menschen in der Umgebung an, beschließt aber die Frau, vor der wir inzwischen stehen absolut zu ignorieren! Ich zeige auf die Person, die vor uns ihren Kaffee trinkt, er schaut sie an, schaut mich an und ist eindeutig verwirrt. Wahrscheinlich ist die Innentemperatur meines Hundes inzwischen auf min. 45°C angestiegen und auch bei ihm sind einige Ausfälle in verschiedenen Hirnregionen zu vermelden.

Der Hund und ich sind uns einig! Wir können nicht mehr! Der Seminartag ist vorbei, mein Hund beschließt, dass für 15 Franken ihm ein eigenes Bett zusteht, bekommt abends einen Überlastungs-Spinnanfall in dem er wie wild zwischen den beiden Hotelbetten hin- und herspringt nur um direkt danach erneut in einen komatösen Tiefschlaf zu fallen.
Hey, was will ich eigentlich. Der Auftrag ist erledigt, der Hund ist endlich müde!