Bericht eines Seminarteilnehmers 02/2017

Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe von „Bericht eines Seminarteilnehmers“ In den Hauptrollen: Klein-Kröti, das übergroße Streifenhörnchen und das Frauchen, welches vor allem durch ihre beispiellosen Orientierungs- und Bewegungskünste schon in so manchem Gedächtnis geblieben ist.

Wir starten an einem schönen Donnerstag von daheim, rauf auf die Autobahn, keine Staus, keine Sorgen, keinen Plan. Von rechts fährt ein hübsches blau-silber-neongelbes Auto mit lustig rotierenden blauen Leuchten auf dem Dach vorbei, welches die Autobahnauffahrt, auf die wir in 100m wechseln wollten, einfach versperrte. Nun…ich finde, der Mann in Uniform hätte seine Karre auch wirklich praktischer parken können, so kommt doch keiner mehr vorbei! Blöder Platz um die Aussicht zu genießen, echt jetzt! 

 

Der Stress steigt. Als absoluter Gegenpol zur Spontanität, hasse ich Überraschungen die meine Wegplanung betreffen. JA ok, ich habe eine Planung, die ist zwar nur sehr rudimentär und auf meinen Schmierzetteln beim Fahren kaum zu finden, aber sie ist definitiv vorhanden. 

 

Mein Navi verdient einen Orden! Zack! Da wird die neue Route berechnet, ich komme nicht nur beim Bekleidungsgeschäft an (Merke: Arbeitskleidung hält auch den Herder aus), sondern danach sogar ziemlich flott am Tiergarten!

Genau, wir starten wieder mal ein Alltagstraining. Immer ein Hund nach dem anderen. Wir erinnern uns an das Kopfkino. Frauchen mit zwei Leinen in der Hand, auf dem Bauch liegend, eine Staubwolke hinter sich her ziehend, einmal quer durch den Tiergarten geschleift, weil die Hunde vorne beschlossen haben, dass heute „Ziege“ auf dem Speiseplan steht. Da kann ich nur hoffen, dass sich die Jungs über die Futterplanung einig sind, sollte einer Waschbär und einer Ziege wollen, wären es leider unterschiedliche Richtungen. Vermutlich gewinnt JJ gegen Murph… läppische 24kg mehr und dreist genug es durchzusetzen.

 

Murph dürfte wie üblich zuerst. Das Recht des Älteren (und lauteren). Durch seine wahnsinnigen ca. 40cm Schulterhöhe waren viele der Tiere so voller Ehrfurcht, dass sie sich gar nicht erst gezeigt haben. Beim Rest blieb der Junge aber erstaunlich cool. Sein Training mit Frauchen zeigt Wirkung. Er sieht „potentielles, herumlaufendes Futter“ und dafür rückt die Alte bei Blickkontakt zu ihr Kekse raus, ähm…nein, natürlich guckt er mir aus lauter Liebe ins Gesicht. Er ist doch nicht bestechlich mit den kleinsten Krümeln, wer behauptet denn sowas?

Wechsel von „Klein-schwarz-laut“ zu „groß, cool, gestreift“. So cool war er…vor lauter Coolness musste er ziemlich laut vom Parkplatz bis zum Eingang singen. Sehr hübsch, vielleicht erkennt ja jemand in diesem Bundesland sein Talent. Rheinland-Pfalz sucht den Superstar.

 

Ok…ab dem Tiergarten war er still und mit den Eindrücken beschäftigt. Nase an Nase mit vier Schafen fand er gut, Ziegen waren auch ok, Waschbären, Schweine, Kühe, Vögel, Wildschweine auch und während das ganze Wolfsrudel zu ihm an die Sichtscheibe kam (sie fanden die Streifen von ihm bestimmt extrem schick), lag er brav im Platz davor und hat sich Kekse verdient. Nach diesem erstaunlich relaxtem Besuch gings weiter in unsere altbekannte Pension.

Nach der Anmeldung direkt raus in die Natur. Fangen wir mit etwas Theorie an. Wie berechnet man den Bremsweg? Nein, nicht den vom Auto. Vom Hundehalter! Bzw. von der, die probiert die Hunde zu halten ohne mit vorgespielter Eleganz schwungvoll vom nächsten Gebüsch unsanft gebremst zu werden. Es hatte irgendwas mit km/h, dem Gewicht der Hunde, dem Zugpunkt der Geschirre und dem Gegengewicht des Frauchens zu tun.

 

Wow, ich hatte den ersten Fasan in freier Wildbahn gesehen, ähm, die Hunde übrigens auch. Meine Arme waren dadurch vermutlich erstmal 2cm länger. Es blieb das letzte Tierchen an dem Tag (außer die Spinne abends im Bad).

JJ hatte übrigens einen harten Tag hinter sich und musste deswegen sich ganz eng ans Frauchen drücken. Im Einzelbett. Ganz direkt in den Arm. 

Murphy dagegen kuschelte sich ans Fußende und störte nicht weiter. Das TV-Programm nachts um 3:30Uhr ist gelinde gesagt furchtbar.

 

Freitag kurzes Morgengassi, Frühstück, noch etwas faul sein und auf zur ca. 15km Tour. Heute im Programm: Feldhase 1.0, zwei Gruppen von Rehen, Schwärme von Gänsen, ein Storch…und endlich waren wir mit gefühlten Tonnen Schlamm an den Schuhen am Rhein! Feldwege heißen vermutlich so, weil sie genauso viel Erde darauf haben wie das Feld selbst. JJ in seinem Element! Wellen jagen. Hin und her…hin und her… ach so… hin und her. Murphy saß hinter mir und hätte er können, hätte er wohl verständnislos den Kopf geschüttelt. Hauptsache JJ hat Spaß. 

Spaß hatten wir auch auf dem weiteren Weg, da war nämlich Hase 2.0….Murphy eskalierte ganz diskret und machte von seiner sehr lieblichen Stimme lautstark Gebrauch. Nicht dass jemand denkt, JJ wäre uninteressiert gewesen, der hing zwar auch in der Leine, war aber wenigstens still und ließ sich zu einem „Sitz“ überreden.

 

Ich denke, ich darf stolz behaupten, dass die Jungs abends todmüde waren und ich beruhigt zum gemeinsamen Kennenlernen mit Abendessen gehen konnte. JJ war für innenarchitektonische Arbeiten zu müde und die Fernbedienungen habe ich aufgeräumt (er geht manchmal etwas grob damit um). Wir haben bei der letzten Teambesprechung ausgemacht, dass er nicht mehr so viel TV schauen darf. Sonst hält er sich bei den ganzen Sendungen von Polizisten, Detektiven und Anwälten im Einsatz noch für einen Diensthund.

 

Ach…der Schäferhund hatte übrigens durch die lange Tour einen schweren Tag und musste sich nachts ganz feste ankuscheln, er verbraucht dabei nur ca. 2/3 der Matratze…und das TV-Programm so ca. um 2:30Uhr ist ziemlich erbärmlich.

Wir starten mit dem eigentlichen Programm, so gesehen der Grund der Anreise. Ich fahre nämlich nicht in diese Gegend, damit meine Jungs mal frustriert Frauchen hinter sich herziehen können, weil die zum Jagen einfach viel zu lahmarschig ist, sondern eigentlich zum Mantrailing.

 

Erste Übung kennen wir schon, was allerdings nicht heißt, dass es immer klappen würde. Es werden meine kunstvollen, stets bemühten Versuche eines Startrituals glatt übersehen und ich soll nochmal ums Auto herumlaufen. Nun gut…was macht man nicht alles…zugegebenermaßen etwas bruddelnd, aber egal. Murphy startet und zeigt gleich eins der „4-F-Verhalten“, nämlich das Fiddle / Flirten, diese werden dann auch noch vom Seminarchef missverstanden, dabei hat der Kleine sich so Mühe gegeben. Egal, er stellt fest, dass das keine Kekse bringt und er nun eben doch die Person sucht. 

Ok, jetzt wird’s unspannend. Man nehme ein Wort aus der Trail-Bibel, schmeiße es in den Raum und stelle fest, dass damit nicht alle was anfangen können. Nun nimmt man noch einen Kochlöffel zur Hand und fängt an ganz tief in der Ursuppe der Definition herumzurühren. Ganz zu den Anfängen. Mir wird elend, das hab ich alles schon mehrfach gehört, wenn auch mehrfach nicht zugehört, aber echt jetzt? Alles nochmal? Puuh, ich hab bestimmt was Dringendes am Auto zu erledigen. Tschüssi, bis später. Übung später klappte. Spanier wie luxemburgischer Holländer haben sich ihr Lob verdient.

Letzte Übung des Tages…. Ein Rucksack als Geruchsgegenstand, Spur zu einer Person, diese ist der Geruchsgegenstand für die nächste Person. Jaja…das mit dem „nur ein verbales Lob“ beim ersten ankommen hab ich schon gehört, aber Murphy freut sich so und weil er süß ist, muss er wenigstens Kekse bekommen. Punkt! Die Person an der er riechen sollte, fand er gruslig und ist deswegen schnell weiter zu dem Menschen, wo es den Jackpot zu futtern gibt, der ist komischerweise dank des Futters nicht gruslig, sondern äußerst sympathisch.

 

JJ dagegen hatte bei der Übung definitiv Probleme mit dem Rucksack. Das Kommando „riech“ bekam eine neue Bedeutung und er war der Ansicht, dass man sich darauf stellen muss. Man kann dabei sogar noch „Pfote geben“… so kreativ ist er sonst nie. Ok, also Rucksack ihm direkt vor die Nase halten, riechen und auf zur Person, auf zum Jackpot… dank seiner Gier darauf hat er die Abkürzung genommen, aber was stören den Herder schon die Äste und die restliche Botanik in Frauchens Gesicht?

 

Hab ich schon mal erwähnt, dass der Schäferhund nachts ganz doll kuscheln muss, weil er so einen schweren Tag hatte? Er braucht seinen Schönheitsschlaf, „Mama“ darf sich zwar nicht bewegen, aber immerhin das nächtliche TV-Programm erneut genießen. Wie überaus entspannend!

 

Wir beginnen den Sonntag mit einem Start… einem, wo die Person niemals nicht an der Stelle gewesen war. Murph findet die Übung total albern, was soll er da? Dafür gibt’s danach ordentlich rennen mit Frauchen zu tollen Menschen mit tollen Futterdosen. JJ hingegen ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Startbereich für die Übung begrenzt ist, als gewissenhafter Schäferhund muss man sich eben auch weiter weg noch vergewissern, dass da nix ist.

Ok, nun kommts… die Prüfung mit JJ. Murphy konnte anfeuern, er hat sie ja bereits. Ich ging inzwischen das vegetative Nervensystem durch, genauer gesagt probierte ich praktisch den Sympathicus aus. Dieser erhöht die Herztätigkeit, den Blutdruck, die Durchblutung, die Bereitstellung von Energie und erhöht den Stoffwechsel… kurz gesagt. Nervosität und Prüfungsstress. Jaja, immer die Hundesportler. Da wollen sie Prüfungen laufen und bekommen ihre Nerven nicht in den Griff. Frau Grosse, das nennt man Logik!

 

Auf in den Kampf! Fahrt zum Startpunkt. Lautstarkes Verfluchen des Prüfungsleiters…. Da hat man einen intakten Rüden der sich bestimmt bewusst ist, dass er bald eine Zuchtzulassung „erlaufen“ soll und dann wählt man einen Start mit Pipistellen. Jahaaaa, ich weiß! Der gute Suchhund ignoriert das. JJ ignoriert gekonnt, dass er das ignorieren soll Die Sache wird noch verschönert dadurch, dass ein Bach direkt am Startplatz ist. Fantastisch! 

Geruchsartikel, JJ schießt los, zeigt ein Negativ, geht direkt in den Bach planschen und danach in den Weg wo seine Besitzerin denkt, dass es hingeht. Braver Hund… vor allem brav, weil es total falsch ist und er es anzeigt. Zurück über die Brücke, Parallelweg, 2x sein Geschäft machen ist auch wichtig! Nach weiteren 100m (und geschätzten 8x Pippi) die Entscheidung „och nööö… doch nicht… hier will ich auch nicht weiter“. Zurück zur Kreuzung, Frauchen schaltet ausnahmsweise mal den Kopf ein, bergauf, dort wo er eben erst nicht hinwollte, etwas weiter reinführen, Kontrollieren schicken, und der gestreifte Schlepplift startet seinen Dienst. Jawohl, hoch mit dem langsamen Bremsklotz hintendran, auf in die nächste Kreuzung, großer Kreis, rein in die richtige Straße, 20m vor der Versteckperson fing der Schwanz an zu wedeln (so dass wir damit sogar noch eine andere Trailphilosophie glücklich gemacht hätten) und die Person zwischen LKWs gefunden. FUTTER….LOS….HER DAMIT… Frauchen wird langsam wieder vom Boden aufgehoben, die Sauerstoffmaske auf dem Gesicht verhindert etwas, dass die umstehenden die kleinen Flüche zum „Pippiprinzen JJ“ so ganz genau verstehen, aber ehrlich… man weiß nicht so ganz genau, wer stolzer ist, der Hund oder ich.

 

Zurück beim Rest der Gruppe wird erstmal überlegt, ob man mir die 0,5l Kakaogetränke nicht doch lieber intravenös gibt, kann ich mir nicht erklären, nur weil die erste Packung in unter einer Minute leer war. Symphaticus hat Energie bereitgestellt…Parasympathicus will das wieder aufgefüllt haben….und ich liebe zuckerhaltige Nahrungsmittel.

Letzte Übung des Seminars. Nun können wir uns überlegen, warum unser „Chef des Wochenendes“ ausgerechnet diese Übung nicht selber laufen wollte. Jetzt kommen bestimmt Ausreden wie kaputte Knie, Hüfte, Füße, Rücken, Lunge oder notfalls „das Alter“…. 

Wir nehmen einen Geruchsgegenstand, eine weggehende Person und einen Hund mit erhöhtem Tempo. Ach, mit den kleinen 9kg vornedran ist das nett, wenn auch anstrengend. Klar, rennen tu ich ja gern… so lange es langsam ist, sehr langsam.

Nun holen wir den Tigerenten-Malinois heraus. Eigentlich sollte er so langsam müde sein. Eigentlich! Anriechen *check*, loslaufen *check*, sich nicht in der Leine verheddern *check*, schnell rennen *zwangsläufig check* JJ sorgt schon für ein gutes Tempo…. Nicht auf die Fre… fliegen *check*. Danach mit dem nächsten Sauerstoffmangel, leicht bläulich um die Lippen an der Hauswand anlehnen, nach Luft schnappen und nicht umkippen*CHECK*. Was mit dem Kleinen nett war, ist mit dem arg mikroskopisch-putzigen Holländer suizidal.

 

Ich bin immer wieder überrascht. Also…nicht nur, dass ich wieder Luft bekomme und es zum Sammelplatz zurück geschafft habe, sondern darüber, dass JJ mit seiner Tupperdose im Maul offenbar so herzig aussieht, dass er sogar die Leute um die Pfote wickelt, die jetzt nicht die größten Herderfans auf diesem Planeten sind. Von diesem wurde der Kopf getätschelt und vom Rest hat er sich ordentliche feiern lassen. Was er feierte? Keine Ahnung! Vermutlich, dass nicht nur immer Murphy süß ist, der bekommt die Box nämlich gar nicht zwischen die Kiefer!

Als nach der Endbesprechung etwas Ruhe eingekehrt war sah man in meinem Auto zwei Hunde. Einer auf dem Beifahrersitz ins Mäntelchen eingepackt, eingerollt, tief schlafend und einen Herder in der Box. Alle Viere weit von sich gestreckt, ebenfalls im Traumland angekommen, denn er hatte einen echt harten Tag. ;)

Yeah…müde Hunde….

 

Fragt sich jetzt bloß, wer mich heimfährt, ich würde auch gerne schlafen!